Pornosucht: Wenn der Film die Realität ersetzt

Werbung, Videoclips oder auch Bilder in sozialen Medien und auf Plattformen, viele davon enthalten heutzutage pornografische Inhalte. Egal, wo wir uns heute bewegen, fast überall werden wir mit Reizen konfrontiert, die unser Lustzentrum im Gehirn, auch als Nucleus accumbens bezeichnet, ansprechen. Über kostenlose Webseiten oder Social-Media wie X (vormals Twitter) oder OF (Onlyfans) haben wir 24 Stunden am Tag Zugang zu jeder Art von Porno und nutzen sie, um Stress abzubauen, uns zu entspannen und evtl. um uns von den negativen Erlebnissen des Tages abzulenken. Kommt noch der Faktor Einsamkeit dazu, können wir schnell in eine Pornosucht rutschen. Was genau ist Pornosucht, ab wann ist man pornosüchtig und wie kann man sich von der Sucht nach Pornos befreien? Diesen und anderen Fragen geht dieser Beitrag nach.

Was versteht man unter Pornosucht?

Der umgangssprachliche Begriff Pornosucht wird von der Wissenschaft als Pornografie-Nutzungsstörung bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Verhaltenssucht. Sie gilt heute als häufigste Form der „Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten“. In der neuen, 2022 in Kraft getretenen ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sämtliche Krankheiten auflistet, die es nach offizieller Ansicht der WHO gibt, fand sich erstmals die Diagnose „zwanghaftes Sexualverhalten“ (ICD-11-Code 6C72).

Zwanghaftes Sexualverhalten in Verbindung mit Pornosucht bedeutet, dass Betroffene ihren Konsum nicht einschränken können und das Anschauen von Pornos ein zwanghaftes Verhalten ist. Der Kontrollverlust ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Pornosucht. Auffällig ist, dass seit einigen Jahren der Konsum von Pornografie über das Internet vor allem bei jungen Männern signifikant gestiegen ist und dabei häufig mit zwanghaftem Sexualverhalten einhergeht.

Ab wann ist man pornosüchtig?

Grundsätzlich gilt, dass Pornografie nicht per se etwas Schlechtes ist, denn sie kann eine gute Methode zum Stressabbau sein, die Fantasie anregen und die Lust steigern. Auch ist nicht jeder Mann, der ab und zu einen Porno schaut, automatisch pornosüchtig. Eine Tatsache ist aber, dass Menschen, die sich (vielleicht beruflich bedingt) intensiv mit dem Internet und den sozialen Medien befassen, einen großen Teil ihrer Zeit in der digitalen Welt unterwegs sind und gleichzeitig keinen Rückhalt bei ihrer Familie oder Freunden haben, kaum Hobbys nachgehen, wenig Erfüllung in Beruf oder Schule finden, anfälliger für Suchtverhalten sind. Prinzipiell kann sich eine Pornosucht in jedem Lebensalter entwickeln, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Viele Betroffene konsumieren, um schlechten Gefühlen aus dem Weg zu gehen. Alkoholiker oder Heroinsüchtige trinken oder setzen sich einen Schuss, um Sorgen und Frust zu vergessen, Pornosüchtige decken mit den Filmen ungelöste Probleme zu und können sie so für kurze Zeit vergessen. Eine wesentliche Ursache von Pornosucht ist zudem die Tatsache, dass das gesamte gesellschaftliche Leben geradezu mit pornografischen Inhalten bombardiert wird, überall und ständig. Fast jeder kann auf nahezu unbegrenzt zur Verfügung stehendes Material kinderleicht ohne große Barrieren zugreifen, oft kostenfrei oder zumindest sehr kostengünstig.

Als weitere mögliche Ursachen für eine Pornosucht gelten zudem traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder frühe negative Erfahrungen mit Sexualität und einem daraus resultierenden, nicht gesunden Verhältnis zur eigenen Sexualität. Auch fehlende Bewältigungsstrategien in den Bereichen Emotionen und Stress können eine Ursache sein. Außerdem spielen genetische Dispositionen, familiäre Krisen oder weitere Belastungsfaktoren eine wichtige Rolle. Möglicherweise sind auch spezielle Persönlichkeitseigenschaften, etwa hohe Impulsivität, die Ursache. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass bereits bestehende psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen beziehungsweise schon vorhandene andere Suchterkrankungen die Pornosucht auslösen oder zumindest fördern.

Auf diese Symptome solltest Du achten

Wer vermutet, in die Pornosucht gerutscht zu sein, kann auf verschiedene physische und psychische Symptome achten. Körperlich kann zum Beispiel eine stark verzögerte Ejakulation oder eine reduzierte Empfindlichkeit (aufgrund von Überstimulation) auf Pornosucht hinweisen. Weitere Symptome sind Ermüdung, Schlafprobleme und Konzentrationsschwäche. Neben physischen gibt es auch psychische Symptome, etwa ein geringes Selbstwertgefühl, gesteigertes Schamgefühl oder eine verringerte Libido. Hinzukommen können ein zugunsten von Pornos sinkendes Interesse an Sex mit realen Partnern, allgemeine Motivationsprobleme sowie schwankende Stimmungslagen (aufgeregt bis niedergeschlagen) bis hin zu Depressionen.

Mögliche Folgen einer Pornosucht

Prinzipiell macht Sex Spaß und erzeugt Glücksgefühle bei denen, die ihn genießen dürfen. Er sorgt für Wohlbefinden und ist für Körper und Geist gesund. Sex gilt neben der Nahrung als der stärkste „Zündschlüssel“ des menschlichen Lustzentrums. Erregt uns etwas sexuell, schüttet das Gehirn das Glückshormon Dopamin aus und das dadurch entstehende Gefühl wollen wir so oft wie möglich haben, selbst wenn wir keinen Sexpartner haben. Wenn wir häufiger Pornos schauen, dabei masturbieren und einen Orgasmus erleben, können wir schnell in einen Strudel mit Sogwirkung geraten, der schließlich in der Sucht endet. Mögliche Folgen können die Vernachlässigung der Arbeit, sozialer Kontakte und persönlicher Verpflichtungen sein. Wer von Pornosucht betroffen ist, zieht sich meistens sehr stark aus seinem bisherigen sozialen Leben zurück und geht in die Isolation. Dadurch verstärkt sich die ohnehin schon als Auslöser der Pornosucht geltende Einsamkeit. Betroffene wissen zudem oft nicht, wie sie mit den entstehenden Emotionen umgehen und wie sie diese regulieren sollen. Beides kann die Pornosucht verschlimmern. Diese Folgen lassen sich vor allem bei Männern beobachten, die entweder allein leben oder sich mit ihren Eltern einen Lebensort teilen.

Pornos können negative Folgen für die psychische Gesundheit von Minderjährigen haben, denn sie beeinflussen ihre sexuellen Fantasien, Einstellungen und Verhaltensweisen. Pornografische Webseiten machen aus der Partnerin oder dem Partner zu einem Sexualobjekt ohne jede Beziehung. Zudem vermittelt die Pornoindustrie den Nutzerinnen und Nutzern den Eindruck, dass der Wert eines Menschen ausschließlich vom körperlichen Erscheinungsbild bestimmt wird. Das ist vor allem bei jungen Frauen (aber zunehmend auch jungen Männern) oft die Ursache für Schönheitskorrekturen wie Brustvergrößerungen, Intim-Bleaching oder Penisoperation.

Männer, die sich mithilfe von Pornos häufige und langanhaltende erregende emotionale Erfahrungen verschaffen, setzen sich dem Risiko aus, ein unkontrolliertes, hypersexuelles Verhalten, auch als Sexsucht bezeichnet, zu entwickeln, was eine Partnerschaft und das normale Sexualverhalten stark belasten kann. Eine weitere Folge von übermäßigem Porno-Konsum können Erektionsstörungen sein. Diese entstehen unter anderem durch die Idealisierung der Pornodarsteller, was zu sehr hohen, oft nicht erfüllbaren Erwartungen an sich selbst führt. Zusätzlich stimmt die sexuelle Stimulation in der Realität nicht mit denen überein, die man im Porno sieht.

So kannst Du einer Pornosucht entkommen

Pornosucht ist eine Erkrankung, der man mithilfe einer Therapie begegnen kann. In einer solchen sollen die Betroffenen zunächst die Ursachen ihrer Sucht verstehen. Langfristiges Ziel ist es, eine Änderung der Verhaltensmuster zu erreichen und gesunde Verhaltensweisen zu verinnerlichen. Das gelingt beispielsweise durch eine Bewältigung negativer Gefühle, indem man seine Sexualität ganz neu entdeckt und stärker auf seine eigenen sexuellen Bedürfnisse achtet und respektvoll mit ihnen umgeht. Weitere Ziele einer Therapie sind die Stärkung der sozialen Kompetenzen und das Erlernen der Fähigkeiten zum Führen einer normalen Beziehung. Es gibt verschiedene Therapieansätze bei Pornosucht und jeder sollte den Therapieweg wählen, der für ihn der passende ist.

Weiterführende Informationen und Referenz-Links:
https://www.tk.de/techniker/magazin/digitale-gesundheit/spezial/mypornme/pornosucht-erkennen-ist-der-erste-schritt-2074170?tkcm=ab

https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/sucht/koennen-pornos-suechtig-machen/

https://www.kranushealth.com/de/magazin/psyche/pornosucht-erektionsstoerung

https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/psychische-krankheiten/pornosucht-woran-erkenne-ich-sie-und-was-kann-ich-tun-1091167.html

https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/1874574