Drei Männer in einer offenen Beziehung

Offene Beziehung und wie sie gelingen kann

Verfolgt man Diskussionen zum Thema offene Beziehung in Gay-Chats oder bei Treffen von Freunden, fällt auf, wie kontrovers die Ansichten zu diesem Lebens- und Liebenskonzept sind. Aber warum ist das so? Was bedeutet es, in einer offenen Beziehung zu leben, warum können sich viele schwule Männer mit dieser Form von Beziehung anfreunden und wie kann eine offene Beziehung funktionieren? Solchen und ähnlichen Fragen widmen wir uns in diesem Beitrag.

Offen, nicht nur beim Thema Sex – Offene Beziehung als ganzheitliches Lebenskonzept

Manchmal sehen sich Leute, die in einer offenen Beziehung leben, auch aus der eigenen Community harscher, schon an Homophobie grenzender Kritik ausgesetzt. Da wird einem nicht selten der Eindruck vermittelt, dass das Leben in einer offenen Beziehung einer der Hauptgründe für das negative Bild von Homosexuellen in der Gesellschaft wäre. Dabei gibt es in der Gesellschaft als auch in der LGBTQIA+-Community eine starke Tendenz hin zu offenen Beziehungen. Immerhin haben verschiedene Studien gezeigt, dass 57 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen ihren jeweiligen Partnern/Partnerinnen untreu sind. In einer britischen Studie aus dem Jahr 2021 (durchgeführt vom Magazin FS, in Kooperation mit der Organisation GMFA) wurden 1006 schwule Männer befragt. 41 Prozent der Befragten gaben an, in einer offenen Beziehung zu leben. Insgesamt 75 Prozent waren der Meinung, diese Beziehungsform ausleben zu können, wäre großartig.

Moralvorstellungen versus offene Beziehung

Womit offene Beziehungen immer wieder zu kämpfen haben, sind die in der Gesellschaft tief verwurzelten Moralvorstellungen. Diese vor allem von den Kirchen in die menschlichen Gehirne gepflanzte Idee, dass eine Beziehung immer nur von zwei Personen gelebt werden darf, wird von Konzepten wie der offenen Beziehung oder der Polyamorie gesprengt und erzeugt zum Teil heftigen Widerstand aus dem kirchlich-religiösen Umfeld. Wenn Du mit Deinem Partner die Entscheidung triffst, in einer offenen Beziehung zu leben, lass Dich von Kritik nicht einschüchtern und beeinflussen. Letztlich geht es darum, dass Du und Dein Partner den Weg gehen, der für Euch beide der geeignete ist und dass Ihr die Beziehungsform findet, die Euch glücklich macht.

Was macht eine offene Beziehung aus?

Als ein Hauptmerkmal bei offenen Beziehungen gilt die Fluidität beziehungsweise Flexibilität, also die Freiheit zum Experimentieren. Menschen können bei einer offenen Beziehung für sie Passenderes ausprobieren. Sie sind offen für unkonventionelle Beziehungsformen oder unzufrieden in ihrer monogamen Beziehung. Wenn man einen einzigen Partner hat, kann sich die Erwartung einschleichen, dass dieser eine Partner alle Bedürfnisse befriedigen muss. Er soll nicht nur als Begleiter und Liebhaber fungieren, sondern auch noch als Freund, Reisebegleiter oder sogar Mitelternteil. Diese vielen Rollen können eine einzige Person schnell überfordern. Die Folge kann sein, dass sich bei Dir irgendwann, wenn Dein Partner Deine Erwartungen nicht erfüllen kann, ein Gefühl der Unzufriedenheit breit macht.

Das liegt daran, dass ein einziger Mensch die vielen verschiedenen Bedürfnisse und Wünsche, die eine Person hat, eigentlich nie erfüllen kann. Ein einfaches Beispiel: Du verliebst Dich in einen Mann, der gefühlstechnisch perfekt zu Dir passt, der aber, vielleicht aus medizinischen Gründen, Deine Leidenschaft für Analverkehr mit Poppers nicht teilen kann. Er steht dagegen extrem auf Sextoys wie Masturbatoren, mit denen Du gar nichts anfangen kannst. All das sollte kein Grund sein, Eure Beziehung zu beenden. Eine Lösung könnte eine offene Beziehung sein, in der Ihr beide mit dem Einverständnis des anderen Eure Leidenschaft mit jemand anderem auslebt. So bekommt ihr beide, was Ihr braucht und könnt in Harmonie leben, weil ihr beide zufrieden seid.

Wer sich also auf eine einvernehmliche nicht-monogame Beziehung einlässt, kann die Befriedigung seiner Bedürfnisse ohne Heimlichtuerei und mit dem Einverständnis seines Partners bei verschiedenen Partnern suchen. Stelle Dir vor, Du könntest die Dir am meisten zusagende Intimität, Zärtlichkeit, kulturelle Vorliebe oder den Dich am meisten anregenden Sex jeweils mit einem Menschen teilen, der Deine Bedürfnisse am besten befriedigen kann. Was oft in der Diskussion untergeht, ist die Tatsache, dass eine offene Beziehung nicht nur auf den sexuellen Aspekt begrenzt sein muss. Der Begriff kann sich nämlich auch darauf beziehen, andere Bedürfnisse als nur sexuelle Wünsche mit jemand anderem als dem eigenen Partner auszuleben.

Stabilität in offenen Beziehungen

Soll eine offene Beziehung gelingen, braucht es klare Absprachen und Regeln. Die Grundvoraussetzungen für jede offene Beziehung sind Ehrlichkeit, Empathie und offene Kommunikation. Wenn Du und Dein Partner in der Lage seid, zueinander ehrlich zu sein, Grenzen zu benennen, Regeln einzuhalten und die Bedürfnisse des anderen zu respektieren, schafft Ihr eine Stabilität, durch die Eure dann fließende Beziehung gelingen kann.

Eine gelingende, offene Beziehung hängt zu einem großen Teil von der funktionierenden Kommunikation zwischen den Partnern ab. Eine alte Weisheit sagt, dass eine gestörte oder ganz eingestellte Kommunikation der Tod jeder Beziehung ist. Deshalb ist es in einer so komplexen Struktur, wie sie bei einer offenen Beziehung gegeben ist, wichtig, dass die Partner miteinander im Gespräch bleiben und über alle relevanten Themen offen sprechen. Gerade bei Themen mit Konfliktpotenzial ist funktionierende Kommunikation der Weg zu Lösungen, mit denen beide Partner leben können.

Schwierig kann es werden, wenn ihr nicht offen seid, Euch gegenseitig Aktivitäten verschweigt und Dinge heimlich tut. Gelangen solche Dinge ans Licht, kann sich ein Misstrauen breit machen, das nur schwer zu reparieren ist, ganz nach dem Motto „Einmal Lügner, immer Lügner“. Einmal zerbrochenes Vertrauen ist nur sehr schwer wiederherzustellen. Eine Folge kann das Entstehen einer für die Beziehung sehr belastenden Eifersucht sein.

Eifersucht in offenen Beziehungen

Wo enge, auf Liebe basierende Beziehungen existieren, da gibt es immer auch Eifersucht, unabhängig davon, welche Form die Beziehung hat. Eifersucht ist ein weit verbreitetes Gefühl, von dem auch Menschen in offenen Beziehungen nicht verschont bleiben. Wichtig ist es, sich auf Basis der vereinbarten Prinzipien von Empathie, Ehrlichkeit und offener Kommunikation an sich zu arbeiten und so besser zu verstehen, warum man eifersüchtig ist und was man tun kann, um besser mit diesem Gefühl umzugehen.

Das kann gelingen, wenn Du Dir immer wieder klarmachst, dass Deine offene Beziehung auf der Liebe zwischen Dir und Deinem Partner ruht. Zudem solltest Du Dir immer wieder vor Augen führen, dass es Euch beiden lediglich darum geht, einzelne Bedürfnisse zu befriedigen. Eure jeweiligen Aktivitäten außerhalb Eurer Beziehung sind nicht dazu gedacht, neue Beziehungen zu begründen. Das bedeutet, dass Eure Kernbeziehung immer der Mittelpunkt bleibt, der Eurem Leben Halt gibt und zu dem ihr stets zurückkehrt.

Wo findet man Partner für eine offene Beziehung?

Viele Männer leben bereits in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung und entscheiden sich gemeinsam, in einer offenen Beziehung zu leben. Es gibt aber auch genug Singles, die sich eine solche Partnerschaft wünschen. Wenn Du zur letztgenannten Gruppe gehörst, kannst Du Dich auf den Websites von Gayromeo, Grindr und Co. umschauen. Dort können die Profilinhaber auch die von ihnen gelebte oder favorisierte Beziehungsform angeben. Oft liest man dort bei Beziehungsstatus „Offene Beziehung“. Schreibst Du in Deinem Profiltext, dass Du eine offene Beziehung suchst, ist es durchaus möglich, dass sich entsprechende Kandidaten bei Dir melden. Auf jeden Fall solltest Du Deinen Wunsch von Anfang an klar und deutlich kommunizieren. So können erst gar keine Missverständnisse aufkommen und Deine Profilbesucher wissen sofort, wonach Du suchst.